Basissystem Industrie 4.0 - Eine offene Plattform für die vierte industrielle Revolution

Heutzutage sind Fertigungsanlagen auf die Massenproduktion identischer Waren ausgelegt. Obwohl Fertigungssysteme oft eine gewisse Flexibilität besitzen, sind sie nicht vollständig wandelbar. Stattdessen sind Änderungen mit hohen Kosten verbunden. Wandelbare Produktion hingegen erlaubt es Herstellern, schneller auf eine veränderte Nachfrage zu reagieren und kleine Losgrößen effizient zu produzieren.

Im Projekt BaSys4.0 wurde die Open-Source Middleware Eclipse BaSyx konstruiert, die eine Referenzimplementierung der Konzepte von Industrie 4.0 erlaubt. Diese Konzepte und Implementierungen wurden in den Folgeprojekten BaSys 4.2, BaSys4Transfer und den BaSysSatelliten Projekten aufgegriffen und werden kontinuierlich weiterentwickelt und validiert.

Herausforderung beim Engineering fluidtechnischer Systeme

Fluidtechnische Antriebe sind wichtige "Muskeln" einer flexiblen Industrie 4.0-konformen Produktion. Die Vielzahl möglicher Schaltungskonzepte mit unterschiedlichen Komponenten und deren äußerst heterogene Eigenschaften beeinflussen die Engineering-Entscheidungen in allen Phasen des Produktlebenszyklus einer Maschine maßgeblich. Um den Herausforderungen zu begegnen, wird der Ansatz eines integrierten modellbasierten Engineering-Prozesses verfolgt. Dieser ermöglicht es, verschiedene Szenarien und Varianten schnell und effizient mit Simulationsmodellen zu testen, um auf dieser Basis gezielte Anpassungen und Entscheidungen für die realen Maschinen zu treffen. Dabei muss der OEM insbesondere die spezifischen Eigenschaften der fluidtechnischen Komponenten berücksichtigen, deren Knowhow, Daten und Parameter sowie detaillierte Simulationsmodelle in der Regel jedoch nur bei den Komponentenherstellern vorliegen.

Für einen integrierten simulationsbasierten Entwicklungsprozess müssen folgende Herausforderungen bewältigt werden:

  • Akteursübergreifende Verfügbarkeit von Simulationsmodellen und der benötigten Parameter realer Komponenten zur effizienten und fehlerarmen Konfiguration einer Systemsimulation
  • Hohe Verfügbarkeit von Daten und Parametern und nahtlose Verknüpfung über alle Entwicklungsphasen hinweg, z.B. beim Übergang vom Engineering zur Inbetriebnahme
  • Verknüpfung von Simulationsmodellen mit den in der Maschine verbauten Komponenten und deren Zustandsgrößen.

BaSys4FluidSim - Simulationsframework fluidtechnischer Komponenten für ein integriertes und durchgängiges Engineering

Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Industrie 4.0-tauglichen Simulationsframeworks für ein integriertes und durchgängiges simulationsmodellbasiertes Engineering mit den Schwerpunkten:

  • Domänenunabhängige Systemsimulation mit hohem Detaillierungsgrad über alle Integrationsebenen hinweg
  • Interoperabilität für die akteursübergreifende Nutzung von Simulationsmodellen bei gleichzeitigem Schutz des Unternehmens-Knowhows
  • Akteursübergreifende Verfügbarkeit von Daten für oder aus Simulationsmodellen entlang des gesamten Produktlebenszyklus

Kernelement für eine Industrie-4.0 konforme Realisierung des Konzepts ist die Verwaltungsschale (engl.: Asset Administration Shell, AAS). AASs sind digitale Repräsentationen der betrachteten Assets, wie bspw. eine hydraulische Komponente. Sie verfügen über semantisch eindeutig definierte Merkmale, die Informationen und Dienste des Assets repräsentieren und gekapselt zur Verfügung stellen. Die Merkmale eines Assets beziehen sich auf seine Nutzung in einem definierten Kontext zu verschiedenen Phasen des Produktlebenszyklus und werden danach entsprechend in Teilmodellen gruppiert und standardisiert. Das einheitliche Datenmodell, die standardisierte Semantik der beschriebenen Merkmale, sowie eine einheitliche Kommunikationsschnittstelle verbessern in Summe die Interoperabilität, Verfügbarkeit und Integrationsfähigkeit der betrachteten Assets.

Mit diesen Eigenschaften ist die Verwaltungsschale die ideale Grundlage für lebenszyklus- und herstellerübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, von denen alle Stakeholder profitieren können. Eine Umsetzung eines solchen lebenszyklus- und herstellerübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerks erfolgt anhand drei exemplarisch ausgewählter Use-Cases des simulationsmodellbasierten Engineerings in dem BaSys4FluidSim Framework und der webbasierten Simulationsumgebung Fluidon | Cube.

BaSys4FluidSim - Use-Cases des simulationsmodellbasierten Engineerings

Die erste Funktionalität des Frameworks (a) ermöglicht das Suchen und Finden von Komponenten oder Komponentensimulationsmodellen. Deren digitale Repräsentationen befinden sich in Form von AAS in Repositorien, wo sie nach definierten Anforderungen für die gewünschte Anwendung durchsucht und abgefragt werden können. So kann der OEM im Rahmen der simulationsbasierten Produktentwicklung in den Repositorien seiner Komponentenlieferanten nach erforderlichen den Komponentendaten und Simulationsmodellen der für die Maschine benötigten Bauteile suchen.

Die zweite Funktionalität (b) ermöglicht eine domänen- und werkzeugunabhängige Integration von Komponentensimulationsmodellen in eine Simulationsumgebung. Diese Integration wird zum einen durch eine automatische Parametrierung von Simulationsmodellen mit den verfügbaren Parametern aus den AASs ermöglicht. Die automatische Parametrierung reduziert den Zeitaufwand und die Fehleranfälligkeit bei der sonst üblichen manuellen Parametrierung aus unterschiedlichsten Parameterquellen.
Eine weitere Option ist die Integration eines vollständigen Komponentensimulationsmodells als Functional Mock-up Unit (FMU). FMUs basieren auf dem Functional Mock-up Interface (FMI)-Standard und dienen der Kapselung von Simulationsmodellen, im Falle der Co-Simulation sogar inkl. dem passenden Integrator. Dadurch unterstützt der FMU-basierte Ansatz einen flexiblen, domänen- und tool-unabhängigen Einsatz und schützt durch die Modellkapselung zugleich das Know-how des Modellerstellers.

Die dritte Funktionalität (c) ermöglicht den bidirektionalen Abgleich von Parametern und Zuständen zwischen der Simulation und den realen Komponenten in der Maschine des Shopfloors auf Basis derer AAS-Instanzen. Dies ermöglicht die Fehleruntersuchung und -behebung an der realen Maschine unter Miteinbeziehung des Simulationsmodells oder unterstützt die Inbetriebnahme, indem bereits in der Simulation ermittelte Parameter direkt auf die Maschinensteuerung übertragen werden können. In beiden Fällen erhöht sich für das Fachpersonal die Transparenz und damit die Qualität der zu treffenden Entscheidungen bei einem deutlich reduzierten Zeitaufwand.

Referenzanwendung des BaSys4FluidSim-Projektkonsortiums

Die im Projekt anvisierten Ziele werden am Beispiel einer servohydraulischen Presse der Firma Parker (Assoziierter Partner) validiert. Durch die konkrete Umsetzung aller relevanten Aspekte im Kontext AAS und deren Validierung am praxisnahen Demonstrator, entsteht eine Blaupause für zukünftige Anwendungen in der Industrie.

Weitere Informationen:

  • 2023: Concept of a Simulation Framework for Seamless and Interoperable Linking of Components and Simulation Models for Fluid Power Systems, M. Becker, S. Heppner, R. Alt, T. Kleinert, K. Schmitz, DSEC Conference 2023